Der ursprünglich aus Steppengebieten stammende Feldhase hat sich als Kulturfolger lange Zeit als ein anpassungsfähiges Tier erwiesen. Als „Meister Lampe“ oder als „Osterhase“ ist er im Bewußtsein der Bevölkerung tief verwurzelt, auch wenn das Image manchmal nicht gerade das eines Helden ist. Allerdings ist es in letzter Zeit schon ein seltenes Erlebnis, wenn man im Frühjahr auf den jungen Saaten die Feldhasen bei ihren „Boxkämpfen“ sehen kann. Der Rückgang der Hasenpopulation hat viele Ursachen, die mit zunehmenden Eingriffen in die Qualität des Lebensraumes verbunden sind. „Haken“ schlagen hilft nicht, um einem mit 100 km/h ankommenden Auto auszuweichen! Wie es um den Feldhasen – dem Tier des Jahres 2001 – in unserer Region bestellt ist, erfahren Sie hier.
Kennzeichen
Der Feldhase hat eine langgestreckte stromlinienförmige Gestalt. Kurze schlanke Vorderläufe und stark überhöhte kräftige Hinterläufe befähigen den Hasen zu hohen und weiten Sprüngen.
Der Körper ist von Haaren verschiedener Art bedeckt, dem feinen dichten weißen Grundhaar und dem längeren spärlichen Deckhaar, welches auf der Oberseite braungelbe und an den Körperseiten rostrote Farbtöne mit schwarzen Spitzen aufweist. Schwarze Haare befinden sich auf der Schwanzoberseite und an den Ohrspitzen. Die tiefschwarzen Löffel- spitzen sind ein sicheres Unterschei- dungsmerkmal gegenüber dem Wildka- ninchen.
Das Geschlecht des Hasen läßt sich nicht einwandfrei nach dem äußeren Erscheinungsbild bestimmen. Eine exakte Feststellung ist nur durch die Untersuchung der äußeren Geschlechtsorgane möglich.
Das Körpergewicht erwachsener Hasen beträgt im Mittel 4 kg.
Vorkommen
An Hand von Knochenfunden konnten Feldhasen bereits für die voreiszeitlichen Steppen Eurasiens nachgewiesen werden. Während der Eiszeit wurde er vom besser an die klimatischen Bedingungen angepassten Schneehasen verdrängt. In der nacheiszeitlichen Periode erfolgte wieder die Einwanderung des Feldhasen nach Mitteleuropa. In Deutschland kommt der Feldhase überall vor. Das Festland wird von den Küsten bis zu den Alpen besiedelt. Erst in den Hochlagen (> 2000 m über NN) wird er vom Schneehasen ersetzt.
Feldhasen sind Bewohner offener Land- schaften, ursprünglich zwischen Wald- steppe und Wüstensteppe. Als Kultur- folger besiedelt der Feldhase in Mittel- europa vor allem landwirtschaftlich genutzte Flächen, kommt aber auch in Wäldern, insbesondere an Waldrändern, Lichtungen und aufgelockerten Struktu- ren vor.
Optimale Lebensräume sind gekennzeich- net durch geringe Jahresniederschläge (< 500 mm), relativ milde mittlere Jahres- temperaturen (< 8 °C) und hohe Anteile von Löß- und Schwarzerdeböden. Solche Gebiete be-finden sich beispielsweise in der Magdeburger Börde oder im Thüringer Becken.
Der zunehmende anthropogene Einfluss durch die intensive landwirtschaftliche Produktion, die Bebauung und Versiegelung der Landschaft, die Zerschneidung der Lebensräume durch Verkehrswege und das ständig steigende Verkehrsaufkommen sowie verstärkte Freizeitaktivitäten wirken sich negativ auf die Habitatqualität aus. Die Feldhasen reagieren mit abnehmender Dichte. Lebensraumgestaltende Maßnahmen wie die Einrichtung und Pflege von Stilllegungsflächen, die Überwinterung von Stoppelbrachen oder die Anlage von Gräser- und Kräutersäumen an Feldwegen und ähnlichen Strukturen tragen zur Verbesserung der Habitatqualität und zur Steigerung der Populationsdichte bei.
Nahrung
Der Hase ist ein ausgesprochener Pflanzenfresser. Das jahreszeitliche Pflanzenangebot im Lebensraum bestimmt die Zusammensetzung der Nahrung. Für die Ernährung wurden mehr als 100 verschiedene Kultur- und Wildpflanzen nachgewiesen, der Hauptanteil der Äsung besteht zumeist nur aus wenigen Pflanzenarten.
Zum überwiegenden Teil werden grüne Pflanzen aufgenommen, im Herbst und im Winter sind auch Holztriebe und Knospen, trockenes Gras und Kräuter, Hochfrüchte, Waldfrüchte sowie Körnerfrüchte von Bedeutung. Eine Besonderheit ist die Coecotrophie, dass Fressen der sogenannten Blinddarmlosung. Dies ist lebensnotwendig und dient der Versorgung mit Vitaminen der B-Gruppe.
Hasen decken ihren Flüssigkeitsbedarf aus der Pflanzennahrung, sie schöpfen nur ganz selten Wasser.
Fortpflanzung
Die Fortpflanzungsperiode reicht von Januar bis September. Extreme klimatische Bedingungen können diese Periode verzögern, unterbrechen oder beenden.
Der Beginn der Fortpflanzung kündigt sich ausgangs des Winters durch gesteigerte Aktivitäten an. Rammler suchen Häsinnen auf und trachten danach, diese in Bewegung zu setzen. Der optische Reiz wirkt stimulierend, häufig schließen sich weitere Hasen an, es entsteht eine sogenannte Rammelgruppe. Den Zeitpunkt der Korpulation bestimmt die Häsin. Nach einer Tragezeit von 42-43 Tagen werden durchschnittlich 2 bis 4 Junge gesetzt. Die Jungen werden sehend und völlig behaart geboren und etwa 25-30 Tage gesäugt. In Abhängigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren (Witterung, Kondition …) können bis zu drei Sätzen jährlich realisiert werden. Die Sterblichkeit der Junghasen ist allerdings sehr hoch und erreicht in ungünstigen Jahren fast 100%.
Verhalten
Das Verhalten des Feldhasen wird wesentlich vom Wetter, der Jahreszeit, dem Nahrungsangebot und Feinden beeinflusst.
In gut besetzten Hasenrevieren ist eine hohe Tagesaktivität mit mehreren Aktivitätsspritzen festzustellen. Bei merklichem Populationsrückgang verlagert sich diese in die Nachtstunden.
Während längerer Ruhephasen liegt der Hase in selbst gescharrten körpergroßen Mulden, der Sasse. Ein Hase hat mehrere Sassen, bevorzugt aber immer klein-klimatisch günstige Geländebezirke.
Ruheformen des Hasen sind Rast, Dösen, Halbschlaf, Leichtschlaf und Tiefschlaf. Es überwiegt ein dösender Halbschlaf. Der Hase hält dabei seine Augenlider geschlossen. Es stimmt nicht wenn der Volksmund behauptet, der Hase schläft mit offenen Augen. Beim Herannahen einer vermutlichen Gefahr drückt er sich mit zurückgelegten Ohren, die Augen sind starr auf die Störquelle gerichtet. Er hält dabei eine Fluchtdistanz ein, die zwischen Berührungsnähe und mehreren hundert Metern schwankt. Diese wird vom Wetter und natürlicher Deckung wesentlich beeinflusst. Bei ausgelöster Fluchtreaktion fährt der Hase und flüchtet dann in gerader Richtung weiter. Wird er über größere Entfernung verfolgt, so flüchtet er, insbesondere im Wald, in einem weiten Kreis zum Ausgangspunkt zurück.
Als Fluchtgeschwindigkeit werden mehr als 50 km/h erreicht. Hindernisse wie Zäune oder Mauern können bis zu einer Höhe von 2 m übersprungen werden.
Die Körperpflege bestimmt einen Teil des Tagesrhythmus. Das Putzen erfolgt mehrmals am Tage. Dabei werden die vom Wangenorgan ausgeschiedenen Duftstoffe auf das Körperhaar und die Läufe übertragen. Wälzen im Staub oder Sand dient ebenfalls der Körperpflege.
Danach und beim Verlassen nasser Deckung schütteln sich Hasen ausgiebig.
Das Reiben von Kinn und Halsunterseite an Steinen, Zweigen und das Reiben des Kopfes am Erdboden sind sowohl Putz- als auch Markierungsverhalten.
Lautäußerungen gibt der Hase nur wenig von sich. Neben Knurrlauten ist die bekannteste Lautäußerung das Klagen, ein akustisches Warnsignal für Artgenossen. Warnklopfen mit den Hinterläufen kommt vor.
Der Hase gilt als verhältnismäßig standorttreu. Es gibt jedoch jahreszeitliche Verschiebungen der Aufenthaltsbereiche. Für die Größe des Aktionsraumes eines Hasen werden 3 bis 30 ha angegeben.
Bestehende Verbindungswege zwischen Lager- und Äsungsplatz werden meist von mehreren Hasen belaufen und in deckungsreicher Vegetation teilen sich die Hasen die Wechsel mit anderen Wildarten.
Wirtschaftliche Bedeutung und Schutz
Die Siedlungsdichte des Feldhasen als ursprüngliches Steppentier war weder in geschichtlicher noch in vorgeschichtlicher Zeit so hoch wie noch vor wenigen Jahrzehnten. Erst mit der Ausbreitung des Ackerbaus, der Herausbildung eines vielfältigen Requisitenangebotes in der Landschaft und der Verfolgung der Beutegreifer durch den Menschen entwickelten sich in Abhängigkeit von Klima und Bodenverhältnissen gute Lebensbedingungen für die Feldhasen. Anthropogene Einflüsse waren und sind ganz wesentlich für die Eignung des Lebensraumes und die Siedlungsdichte des Feldhasen verantwortlich. Mit der unterschiedlich hohen Populationsdichte ist die wirtschaftliche Bedeutung verbunden.
Der Feldhase als volkstümlichste mitteleuropäische Wildtierart hat sowohl kulturhistorische als auch wirtschaftliche Bedeutung. Neben der Wirkung als Symbol für Frühling und Fruchtbarkeit (Ostehase) waren und sind Feldhasen ein begehrtes Festessen, insbesondere zur Weihnachtszeit. In Deutschland wurden im Jahr 1960 nahezu 1,5 Millionen Feldhasen erlegt.
Die jagdwirtschaftliche Bedeutung brachte es auch mit sich, dass Feldhasen mit unterschiedlichem Erfolg in ursprünglich nicht von dieser Art bewohnten Ländern bzw. Kontinenten angesiedelt wurden, darunter in Skandinavien, Südamerika, Australien oder Neuseeland. Sehr erfolgreich verlief die im Jahre 1890 durchgeführte Einbürgerung in Argentinien. Die Feldhasen erreichten schon nach wenigen Jahren sehr hohe Populationsdichten, die eine intensive jagdliche Nutzung zuließen.
Auf dem Territorium der ostdeutschen Bundesländer wurden die höchsten Hasenstrecken zu Beginn der 60er Jahre erzielt. Darüber hinaus wurden während der 50er und der 60er Jahre vor allem in den mitteldeutschen Revieren Hasen lebend gefangen und zur „Blutauffrischung“ nach West- und Südeuropa exportiert. Im Zeitraum von 1961 bis 1965 wurde ein Drittel des Ertrages vom Wildaufkommen durch das Niederwild, vor allem Hasen, gestellt. Von Anfang bis Mitte der 80er Jahre ging dieser Anteil auf 2% zurück, gegenwärtig sind die Hasen für das Gesamtwildaufkommen fast bedeutungslos.
Feldhasen werden seit altersher eifrig bejagt, insbesondere während der Herbst- und Wintermonate.
Nach dem Bundesjagdgesetz besteht die Jagdzeit vom 01.10. bis zum 15.01., die einzelnen Länder (z.B. Brandenburg) erhöhen den Zeitraum des Schutzes.
Von herausragender Bedeutung für den Schutz des Hasen ist die Erhaltung vorhandener bzw. die Schaffung neuer strukturreicher Lebensräume. Infolge der intensiven Landnutzung werden die Lebensräume für Hasen und viele weitere Tierarten der offenen Landschaft immer mehr eingeengt bzw. deren Qualität verschlechtert. Mit vielfältigen biotopgestaltenden Maßnahmen können Verbesserungen der Lebensbedingungen für unsere Feldhasen erreicht werden.
Situation im Gebiet
Feldhasen sind in ganz Brandenburg verbreitet. Die Situation in den Kreisen des Landes ist unterschiedlich, dank eines in der zweiten Hälfte der 90er Jahre vom Landesjagdverband Brandenburg und der obersten Jagdbehörde Brandenburgs initiierten und finanzierten sowie von der Landesforstanstalt Eberswalde koordi- nierten Programms sind Aussagen zur Populationsdichte möglich.
Mit Hilfe der Scheinwerferzählmethode werden seit Herbst 1997 die Dichten in nahezu 40 repräsentativen Gebieten Brandenburgs ermittelt. Im Lebensraum der offenen Landschaft Brandenburgs betrug die wichtige Kennziffer Frühjahrsdichte für 1998 bis 2000 im Mittel aller Zählgebiete 5,6; 5,5 und 5,7 Hasen /100 ha. Bei allen Zählungen zeigt sich, dass in den nördlichen Kreisen Brandenburgs niedrigere Besätze vorhanden sind als in der Mitte und im Süden des Landes.
Die Höhe der Frühjahrsbesätze in den Nordkreisen bewegt sich zwischen 2 und 4,5 Hasen/100 ha. In den mittleren und südlichen branden- burgischen Kreisen konnten Frühjahrsbesätze bis um 15 Hasen/100 ha ermittelt werden. In den Kreisen Uckermark und Barnim wurden Frühjahrs- dichten von 2 bis 6 Hasen/100 ha offene Landschaft fest- gestellt.
Feldhasen leben nicht in der offenen Landschaft, sie kom- men in unterschiedlichen Dichten auch im Wald vor.
Eine revierweise Erfassung der im Wald lebenden Hasen im Frühjahr 2000 ergab 2 Hasen/100 ha Waldfläche. Auf Grund aller Erhebungen kann davon ausgegangen werden, dass im Frühjahr 2000 in Brandenburg mindestens 90000 Feldhasen lebten.
Empfehlungen für Beobachtungen
Mit dem flächendeckenden Vorkommen ist die Möglichkeit gegeben, Feldhasen überall in Brandenburg zu beobachten. Gelegenheitsbeobachtungen werden ganzjährig gemacht. Gute Chancen, Feldhasen zu Gesicht zu bekommen, bestehen im Winter bei Schneelage. Die besten Möglichkeiten Feldhasen zu sehen bieten die weiten offenen Landschaften des Barnims und der Uckermark in den Zeiten niedriger Vegetation.
Ausgangs des Winters und im zeitigen Frühjahr sind die Hasen während der Fortpflanzungsperiode auch tagaktiv. In störungsarmen Gebieten gelingt es gelegentlich, die Paarungsrituale in den Rammelgruppen beobachten zu können.
Im Wald sind Hasen insbesondere nach Regenschauern auf unbeobachteten Wegen zu sehen. Da der Geruchssinn bei Hasen nicht sehr gut ausgeprägt ist, kann es vorkommen, dass sich die Hasen bei gutem Wind bewegungslosausharrenden Menschen bis auf wenige Meter nähern.
© Dr. M. Ahrens
Landesforstanstalt Eberswalde, Wildökologische Forschungsstelle