Pflanzenwelt

Der Nordosten Brandenburgs

Kreuzweg der Pflanzen und Vegetationsformen

Prof. Dr. habil. Gerhard Hofmann

Durch die geologische und geomorphologische Vielfalt der Bodendecke wurde das Gebiet in Verbindung mit verschiedenen Klimaeinflüssen zu einem Kreuzweg der Pflanzen und Vegetationsformen. Im Nord- und Westteil würden von Natur aus westliche (subozeanische) Buchenwälder das Landschaftsbild beherrschen. Heute sind sie nur noch in Resten erhalten, z. B. im Bereich der Endmoräne um Chorin, im Grumsiner Forst und bei Lüttenhagen, südwestlich von Feldberg, sind ihre stattlichen, hallenartigen Bestände noch auf größeren Flächen vertreten. In ihrer Bodenflora finden wir neben Waldmeister, Einblütigem Perlgras, Sauerklee noch weitere aus dem westlichen Bergland einstrahlende Pflanzen wie Waldgerste, Waldschwingel, auch Bergahorn und Eibe (bei Chorin) gehören hierzu. Dieser subozeanische Floreneinfluß wird in den Niederungswäldern noch durch das gelegentliche Vorkommen von Königsfarn unterstrichen.

Ein nordischer Einfluß in der Pflanzenwelt kommt vor allem auf den zahlreichen Kesselmooren zum Ausdruck, die in den niederschlagsreicheren Endmoränen in einmaliger Schönheit und Anzahl erhalten sind. Zwergbirke, Schneidiges Wollgras, Sumpfporst, Sonnentau, Rosmarinheide, Trunkelbeere, Moosbeere u. a. sind in den lichten Kiefern- und Birkenhölzern oder auf freien Moorflächen anzutreffen. In den Randzonen gesellt sich Sprossender Bärlapp hinzu. Ärmere Sand-Buchenwälder des Gebietes enthalten Siebenstern und – auf natürliche Weise – die Waldkiefer als nördliche bis nordöstliche Florenelemente.

In dem niederschlagsärmeren und sommerwärmeren Ostteil des Gebietes treffen wir dagegen eine ganze Reihe von Pflanzen, die in südlichen und südöstlichen Vegetationsformen ihre Heimat haben. Aus den mediterran geprägten südlichen Regionen erreicht das Gebiet in Odernähe die Elsbeere, der Backenklee, das Wohlriechende Veilchen und das Waldvöglein.

Aus den östlichen Steppen- und Waldstep- pengebieten finden sich ursprünglich auf lichte Wälder des Gebietes begrenzt und heute in Halbtrockenrasen und Steppen vertreten – Adonis-Röschen, Waldanemone, Haar-Federgras, Niedrige Segge, Petersilien-Haarstrang, Wiesen-Kuhschelle u. a. ein. Auf den odernahen Grundmoränen um Gellmers- dorf, Parstein bis Groß Ziethen sind Eichen-Winterlinden-Hainbuchenwälder die natür- lich-potentielle Vegetation. Diese aus den osteuropäischen Waldregionen in unser Gebiet einstrahlende Waldform bildet das Gegenstück zum westlichen Buchenwald der niederschlagsreicheren Landesteile. Agrarische Nutzung hat ihr Areal stark schrumpfen lassen. In der odernahen kaltzeitlichen Erosionslandschaft um Gellmersdorf sind noch urwüchsige Reste erhalten, in denen gemäßigt kontinentale Pflanzenarten wie Kassubische Wicke, Schwarzwerdende Platterbse, Pfirsig- blättrige Glockenblume, Wunderveilchen, Zwerg-Lerchensporn auftreten und Leberblümchen sowie Maiglöckchen Massenentfaltung erreichen.

In diesen östlichen Gebietsteilen geben teilweise noch gut erhaltene vielgestaltige Feldgehölze und Gebüsche mit einer bunten Artenfülle (Schwarzdorn, Kreuzdorn, Hartriegel, Wildobst) dem Ackerland ein belebendes Strukturelement.

Die vielen in die Landschaft eingestreuten fließenden und stehenden Gewässer sind reich an sehenswerten Pflanzenarten. Von Armleuchter-Rasen am Seegrund über Schwimmblattregionen mit Seerosen bis zu dichten Rohr- und Schilfbeständen am Seerand reicht hier die Breite der Strukturformen.

Unverkennbar ist auch der lange wirtschaftliche Einfluß des Menschen auf die Struktur und Arten von Flora und Vegetation. Großflächige Rodungen brachten viele Wildgräser und Wildkräuter der Äcker zur Entfaltung. Künstlicher Anbau von Baumarten veränderte im Walde das natürliche Laubwaldbild in großflächig kiefernreiche Nadelbaumforsten. Die Einführung vieler nordamerikanischer (Douglasie, Küstentanne, Weymouthskiefer, Robinie), ostasiatischer (Gingko, Lebensbaum) oder kaukasischer Baumarten (Nordmannstanne, Orientfichte) bereicherte besonders um Chorin die Baumartenzusammensetzung der Wälder. Hier wachsen viele dieser fremdländischen Baumarten in wissenschaftlichen Versuchs- anbauten. 

Im Weltnaturerbe Grumsin. Baum mit Findling umgeworfen.  Foto: H. Domnick