Wieder- und Neueinbürgerungen von Wild

Das erfolgreichste Beispiel einer Wildwiedereinbürgerung in der Heide ist das Damwild. Schon seit dem 8. Jahrhundert in Deutschland als Gehegetier belegt, setzte die Entwicklung der Damwildbestände in der Schorfheide erst viel später ein. Während nach Genthe (1900) das erste Märkische Stück Damwild am 30.11.1622 im Amt Liebenwalde geschossen worden sein soll, gibt Ueckermann (1965) an, daß der Große Kurfürst 1681 Damwild aus Holland und Dänemark in die Mark Brandenburg gebracht habe. Es wurde zunächst in Tiergärten bei Berlin, Potsdam und Oranienburg gehalten. Bald stellte man jedoch fest, daß es sich vorzüglich in freier Wildbahn entwickelte. Damit könnte es auch in die Schorfheide als eines der Hauptjagdgebiete gekommen sein. In einem Edict von König Friedrich I. vom 12. Oktober 1703 wird befohlen „das Dann-Wildprät aller Orten zu schonen und ungehindert lauffen zu lassen“. In seiner Ortsgeschichte zu Groß Schönebeck schreibt Pfarrer Steeger, daß die Jagd der Feldmark Groß Schönebeck 1785 verpachtet war und vermerkt ausdrücklich, „Damwild war nicht vorhanden“. Beim Amtsantritt von Oberförster Witte 1864 sei nur wenig Dam- und Rehwild vorhanden gewesen. Der Bestand stieg aber rasch an und 1876 standen im Revier Groß Schönebeck 1200 Stück Rotwild, 80 Stück Damwild und 100 Stück Rehwild. Spätestens 1900 gab es in der Schorfheide einen stabilen und hohen Damwildbestand und hohe Abschußzahlen. 1935/36 wurden 35 Stück Damwild aus Schleswig-Holstein im Wisentjagdgehege Eichhorst und Pechteich eingesetzt, nachdem das dort vorhandene Damwild restlos abgeschossen worden war (Bormeister, 1997). Buchholz und Coninx (1969) schätzten gegen Kriegsende einen Bestand an Damwild in der Schorfheide von 5000 Stück.

Damhirsch (Foto: W. Ebert)

Bei der damaligen Waldfläche von 45 000 ha sind dies 11 Stück/100 ha. Nach 1945 stark dezimiert, konnte es sich aber bald wieder stabilisieren. 1974 wurde seine Höhe auf 1 500 Stück geschätzt, was einer Wilddichte von 7,5 Stück/100 ha entsprechen würde. Nach verstärktem Abschuß von Rotwild nach 1990 ist heute Damwild in der Schorfheide das häufigste Schalenwild.

Muffelwild (Foto: W. Ebert)

Ein echter Neubürger in der Schorfheide ist das Muffelwild. Das auf Sardinen, Korsika und Zypern heimische Mufflon gilt als die westlichste Unterart des Wildschafes (Ovis ammon), welches bereits vor 10 000 Jahren domestiziert wurde. Obgleich seit Beginn dieses Jahrhunderts in Deutschland heimisch, kam es erst 1934/35 in die Schorfheide. Es wurde in den Forstämtern Reiersdorf, Zehdenick und Groß Schönebeck eingebürgert. Weitere Tiere aus verschiedenen Herkünften wurden bis 1941 ausgesetzt. Sehr ausführlich beschreibt Bormeister (1997) die Entwicklung der Muffelwildbestände im Forstamt Zehdenick. Auch in den 60er und 70er Jahren kam es wieder zu Importen aus dem Harz und aus Ungarn.

Nach Resch und Mildner (1997), die ebenfalls umfassend auf die Einbürgerung eingehen, hat sich das Muffelwild im Laufe der 60 Jahre seines Vorkommens in der Schorfheide ein Heimatrecht erworben und sollte nicht mehr als Fremdländer diffamiert werden.

Bereits anfangs der 30er Jahre sollen Dr. Hausendorff und Dr. Siewert an den Pinnowseen heimlich Biber ausgesetzt haben. Offiziell sei die Wiedereinbürgung 1937 durch Prof. Lutz Heck mit dem Aussetzen eines Biberpaares an den Pinnowseen erfolgt. So steht es in vielen Schorfheidebüchern. Diese Aussagen werden von Goethe (1959), der damals an der Forschungsstelle Deutsches Wild am Werbellinsee arbeitete, nach Rücksprache mit Dr. Hausendorff widerlegt. !936 sei der erste Elbebiber als TBC-verdächtig zur Forschungstelle am Werbellinsee gebracht worden. Er erwies sich aber als gesund. 1938 erhíelt das Tier eine Partnerin aus dem Elbegebiet. Von 4 Jungen dieses Paares starb eines, während die 3 überlebenden Jungbiber 1940 bei Wildau an der Westspitze des Werbellinsees ausgesetzt wurden. Weitere Biber wurden später am Großen Pinnowsee, am Lubow- und am Lindensee (Westufer des Werbellinsees) ausgebracht. Die Zahl der ausgesetzten Biberpaare ist nicht bekannt. Sicher ist jedoch, daß es sich bei allen um Elbebiber handelte. Die Biber an den Wildauer Mergellöchern dürften hingegen aus eigenem Antrieb ihren Wohnsitz 1945/46 nach dort verlegt haben; Puppe und Stubbe (1964) vermuten, daß dies vom Werbellinsee aus erfolgte. Das Ausbringen weiterer Tiere in den 60er bis 80er Jahren an anderen Orten ist wohl sicher; soll aber hier nicht weiter verfolgt werden. Fest steht auf alle Fälle, daß die Wiedereinbürgerung des Bibers ausgesprochen erfolgreich war. Heute finden wir seine Burgen vom Biesenthaler Becken bis ins Uckermärkische Seengebiet. Interessant ist eine jüngst in der Märkischen Oderzeitung veröffentlichte Notiz, daß das Naturschutzgebiet Pinnowseen, welches als ursprüngliches Wiederansiedlungsgebiet des Elbebibers seit 60 Jahren unter Schutz steht, infolge sinkender Wasserstände und einer Verschlechterung des Nahrungsangebotes den Biber zur Abwanderung nötigte.

Uhu, Foto: W. Ebert)

Einen weiteren Einbürgerungsversuch beschrieben schließlich Buchholz und Coninx (1969). Es handelt sich dabei um den Uhu. 1914 sind im Forstamt Grimnitz zwei in Gefangenschaft großgezogene Uhus ausgesetzt worden. Sie sollen alsbald verhungert sein, da sie in Gefangenschaft nicht gelernt hatten, lebende Beute zu schlagen. Offenbar als Lehre daraus, wurde am Großen Pinnowsee 1935 eine 25 m hohe und 40 m durchmessende Voliere gebaut, in der die beiden eingesetzten Junguhus aus Estland sich ihre Beute (Kaninchen, Tauben, Hühner) selbst schlagen mußten. Die Uhus wurden später in Freiheit gesetzt. Ein Uhu, der offensichtlich aus der Voliere stammte, erschien danach noch zwei Jahre lang zur Balzzeit an der Uhuvoliere des Siewert-Geheges und beteiligte sich lebhaft an der Balz. Seit 1992 ist der Uhu wieder Brutvogel in der Schorfheide (Revier Albrechtshöhe bei Klein Ziethen). 1996 zog das Paar ein Junges auf. Am 26.8.1996 wurde ein Altvogel zwischen Groß und Klein Ziethen überfahren (Manowsky, persönliche Mitteilung). Es ist kaum anzunehmen, daß zwischen den damaligen Einbürgerungsversuchen und dem heutigen Uhu-Vorkommen Zusammenhänge bestehen.

Zu einer ausgesprochen unfreiwillige Einbürgerung (Zufallseinbürgerung nach Niethammer, 1963) kam es 1945 durch Entweichen zahlreicher Waschbären (vermutlich zwei Dutzend) aus einer Pelztierfarm im Kreis Straußberg. Sie vermehrten sich in der freien Natur sehr rasch und eroberten neue Territorien. Die Ausbreitung hält bis heute an. Seitens des Landesumweltamtes schätzt man etwa 8000 Waschbären im nordöstlichen Brandenburg, das mit seiner wald- und seenreichen Landschaft ein wahres Eldorado für die Tiere ist. In der Schorfheide tritt er seit 15 – 20 Jahren regelmäßig und in zunehmender Häufigkeit auf, was die Abschußzahlen belegen. Besonders zahlreich ist er am Westufer des Werbellinsees, am Grimnitzsee und an Fließgewässern, z. B. am Döllnfließ. Die dämmerungs- und nachtaktiven Einzelgänger leben in Erd- oder Baumhöhlen. Sie können gut klettern und schwimmen und sind Allesfresser. Bei weiterer Ausbreitung können sie durchaus den Artenreichtum der Natur gefährden. Um ihre Ausbreitung in Grenzen zu halten, werden sie ganzjährig bejagt.

Ein weiterer ungebetener Neubürger in der Schorfheide ist der Marderhund. Sein natürliches Verbreitungsgebiet ist Ostasien. In Pelztierfarmen im europäisches Teil Rußlands gezüchtet, breitete er sich infolge seiner hohen Vermehrungsrate und einer enormen Anpassungsfähigkeit an differenzierte Umweltbe-dingungen sehr schnell bis nach Mitteleuropa aus. Er bevorzugt busch- und schilfreiche Flußtäler und Gewässerrändern sowie Laub- und Mischwälder mit Unterwuchs. Die Nahrung besteht vorwiegend aus tierischer Kost. Er fängt geschickt Fische, erbeutet kleine Wirbeltiere und plündert nicht selten Nester von Bodenbrütern. Er ist konsequent ganzjährig zu bejagen. In der Schorfheide tritt er seit 1998 regelmäßig in der Groß Schönebecker Feldmark und seit 1999 im Revier Prötze auf. In die Oberförsterei Grimnitz dringt er vor allem von Norden her ein. Im Revier Pehlenbruch wird der Bestand auf 10 Stück geschätzt (Obf. Schmiedel, pers. Mitteilung

© Märkische Eiszeitstraße, W. Ebert / H. Suter, 2003