Die Ausrottung der großen Beutegreifer

Neben den bisher genannten Wildarten, die der Mensch aus Konkurrenz- oder jagdlichen Gründen verfolgte, tötete und nicht selten auch ausrottete, gibt es noch eine weitere Gruppe, die er als Raubtiere oder Raubwild bezeichnete.Es waren Tiere, die ihm – mit Ausnahme des Bären und des Dachses – nicht als Nahrung dienten, die aber von anderen Tieren, unter denen auch Haustiere sein konnten, lebten. Dies reichte schon aus, um sie erbarmungslos zu verfolgen. Heute wissen wir um deren große ökologische Bedeutung als Regulatoren innerhalb des Ökosystems und nennen sie Beutegreifer. Analog dazu werden die Raubvögel jetzt allgemein als Greifvögel bezeichnet.

Heute besteht in Mitteleuropa keine Gefahr mehr, von einem Wolf und gar von einem Bären angefallen zu werden. Im frühen Mittelalter gestaltete das sich noch anders. Bei der Urbarmachung von Land und bei der Holzgewinnung, kam es zwangsläufig zu Zusammenstößen mit den Beutegreifern. Menschen, die von der Nutzung von Naturprodukten abhängig waren, wie Zeidler (Waldhoniggewinnung), Teerbrenner oder Köhler, Holzhauer, Fischer und auch Landwirte duldeten keine Konkurrenz. Armut und der verständliche Drang, selbst überleben zu müssen, ließen den Beutegreifern keine Chance. Ein gerissenes Schaf, Ziege oder Rind konnte damals eine Familie schon in existentielle Schwierigkeiten bringen. So wurde der Ruf an den Landesherrn, sie abzuschießen, immer lauter, denn nur der Adel durfte damals die Jagd ausüben.

Über den Braunbären, als größten Beutegreifer in der Schorfheide, gibt es für das Untersuchungsgebiet äußerst wenig Material. Es gilt als sicher, daß er bereits im 15. Jahrhundert selten war und das 17. Jahrhundert nicht überlebte. In einer Erzählung aus der Zeit des Kurfürsten Joachim II. wird überliefert, das er noch als Kurprinz 1522 während einer Jagd vom Gefolge abgekommen und in einen Zweikampf mit einem Bären geraten sei. Dabei riß ihm der Bär die Kleider auf und der Prinz mußte Gefahr laufen, vor seinem nahenden Gefolge in voller männlicher Herrlichkeit gesehen zu werden. Der Herr von Bredow erkannte als erster die Situation und lieh dem hohen Herrn seine eigenen Hosen – das Ansehen des zukünftigen Kurfürsten war gerettet. Der Bär überlebte den Kampf nicht. Das Ereignis muß damals sehr bedeutend gewesen sein, denn die Kleider wurden archiviert und sollen später in das Berliner Zeughaus gelangt sein. Im 19. Jahrhundert schrieb Willibald Alexis aus dieser Überlieferung seinen Roman, „Die Hosen des Herrn von Bredow“. 1583 wurde noch einmal ein Bär in der Grimnitzer Heide erlegt (Genthe, 1900). Es war der letzte Bär, der hier sein Ende fand. Doch bereits 1595 soll es unter Kurfürst Johann Georg (1571 – 1598) einen Versuch gegeben haben, Bären in der Grimnitzer Heide durch Neuansiedlung wieder heimisch zu machen (Müller-Using, 1938) Über den Erfolg hält sich die Geschichte in Schweigen, denn in späterer Zeit wird der Bär als Wild nicht mehr erwähnt.

Der Luchs, ebenfalls ein Einzelgänger wie der Bär, war die nächste Kreatur, die aus unseren Wäldern verschwand. Das hierzu überlieferte Material ist ebenfalls nicht sehr ergiebig. Der Eberswalder Forstwissenschaftler W. Pfeil bezeichnet den Luchs im 17. Jahrhundert noch als „ziemlich häufig“. Die Historiker J. Ch. u. B. L. Beckmann wurden genauer und schrieben 1751 in ihrer Geschichte über die Mark Brandenburg: „1734 sind im Liebenwaldischen Gehege noch zwei Luchse entdeckt, einer davon auch geschossen worden.“ Seit dieser Zeit wird der Luchs nicht mehr erwähnt. Unter dem Hintergrund, daß in dieser Zeit die Waldhutung ihre größte Ausdehnung fand, war das Bestreben der Forstbeamten, wie auch das der Waldnutzer groß, endgültig unter diesen Beutegreifern aufzuräumen. Die Jagd auf den Luchs war gegenüber den anderen großen Beutegreifern einfacher. Wie andere Katzenarten zog sich der Luchs bei Verfolgung und Gefahr durch den Menschen auf einen Baum zurück. Dort konnte er, ohne große Mühe, mit der Feuerwaffe erlegt werden.

Luchs  Foto  W. Ebert
Wolfsrudel, Tiergehege im Bayrischen Wald. Foto: W.Ebert

Alle Anstrengungen galten nun dem Wolf, der in Rudelverbänden lebt und eine erstaunliche Instinktaktivität entwickelt, um seiner Art das Überleben zu ermöglichen. Er war nicht so leicht zu bejagen, wie der langsamere Bär, der sich schneller seinem Gegner stellte, oder der Luchs, der sich bei Gefahr auf einen nahen Baum retten wollte. 

Als 1575 der Kurfürst Johann Georg eine Wolfsjagd durchführte, zu der er den Fürsten von Anhalt eingeladen hatte, waren Wölfe noch Standwild und kamen in verschiedenen, selbständigen Rudeln vor. Die Verödung des Landes während des 30jährigen Krieges bewirkte ein Überhandnehmen des „Wolfsraubzeugs“. Deshalb gab der Große Kurfürst seinen Landjägern den Befehl, mit aller Energie den Wölfen nachzustellen und sie möglichst auszurotten, um das „nutzbare Wild und das Vieh der Bauern und Bürger besser zu konservieren“. Sobald der Schnee frisch gefallen war, begannen die großen Wolfsjagden, zu denen die notwendige Mannschaft aus den Städten und Dörfern zusammenbefohlen wurde. Die Leute mußten sich für dieses „Wolfsjagdlaufen“ auf mindestens drei Tage mit Mundvorrat versehen und häufig mit dem elendsten Nachtquartier vorliebnehmen. Ja, es wird berichtet, daß nicht selten Menschen bei diesen Jagdlaufen erfroren seien (Schmidt, 1930).

Um 1750 war der Wolf im Schorfheidegebiet schon selten, wenn es überhaupt noch eine selbständige Population gab. 1779 teilt der Jagdzeugmeister Schenk dem König mit, daß in Groß Schönebeck in den letzten 16 Jahren nur vier Wölfe gewesen seien. Diese Angabe beweist, daß es sich bei diesen vier einzelnen Wölfen um Zuwanderungen handelte und nicht mehr um standorttreue Bestände. Seit 1763 gibt es demnach keine eigenständige Schorfheider Wolfspopulation mehr. Unterstützt wird diese Behauptung dadurch, daß es ab 1780 keinen Nachweis über erlegte Welpen mehr gibt. Der letzte „Schorfheider Wolf“ musste nach Steiger (1916) am 29. 01. 1809 sein Leben lassen. Der Wolf ist hauptsächlich mit dem Fangnetz, dem Wolfszeug, gefangen worden. Es bestand gewöhnlich aus 6 Netzen von je 50 Meter Länge und diversen Leinen . Zwischen den einzelnen Netzen wurden die Leinen mit angenähten Tüchern, sogenannten Lappen, bespannt. Damit war es möglich, ein Gelände von etwa 5 Kilometer zu umstellen.

Pferdewagen mit Wolfszeug
Pferdewagen mit Wolfszeug, Wolfsausstellung im 
Jagdschloss Groß Schönebeck. Foto  W. Ebert

Zum Transport nur eines Wolfszeugs waren immer hin 16 Pferdewagen nötig. In der Hoffnung, daß sich der zu bejagende Wolf innerhalb des Netzes befand, durchzogen Treiber das so eingezäunte Areal, um das Tier in eines der Netze zu treiben, in dem es sich verfing und dann meistens erschlagen wurde. 1697 wurden in der gesamten Mark Brandenburg noch 18 Wolfszeuge (Netze u. Lappen) zum Fang von Wölfen und Luchsen unterhalten. Das Wolfsjagdreglement von 1734 erwähnt, daß das Aufstellen des Wolfszeuges bei ein bis zwei Wölfen sich nicht der Mühe lohne. Es erfolgte also schon eine Abwägung des Kosten-Nutzen-Aufwandes. 1761 war auf der Oberförsterei Grimnitz noch ein Wolfszeug vorhanden und bis 1816 lagerte ein solches im Jagdschloß von Groß Schönebeck. Es war über 150 Jahre alt, als es versteigert wurde. Eine andere Fangart war die der Wolfsgrube. Sie war ca. 3,5 Meter lang, 3,5 Meter breit und 4 bis 5 Meter tief. An den Innenseiten war sie mit Holzbohlen verkleidet, damit der Wolf sich nicht heraus graben konnte. Die Oberkante wurde mit dünnen Zweigen abgedeckt und in die Mitte ein verendetes Tier gelegt. Ein Wolf, der sich nun die Beute holen wollte, fiel dabei in die Grube und konnte erschossen werden. Eine Wolfsgrube konnte auch mit Flechtwerk umzäunt werden, in das die Wölfe getrieben wurden. Man sprach dann von einem Wolfsgarten.

Selbst vor Gift schreckte der Mensch bei seinem Ausrottungsfeldzug nicht zurück; schließlich gab es für eine alte Wölfin 1817 noch eine Prämie von 12 Talern. Es wurden sogenannte „Wolfskugeln“ gelegt. Sie enthielten Strychnin, das aus dem Samen der Brechnuß und dem Blauen Eisenhut gewonnen und auch als „Wolfswurz“ bezeichnet wurde. Nicht selten war aber das Gift zu schwach dosiert oder die Köder wurden von anderen Tieren aufgenommen. Eine weitere Fangmethode bot das schwere Fangeisen, auch Schwanenhals genannt. Da in einem solchen Eisen der Wolf sich nur selten fangen ließ, ist diese Art des Fanges bald eingestellt worden.

Heute erinnern nur noch Flurbezeichnungen, wie „Der Wolfsgarten“, am Werbellinsee, die Försterei „Wolfsgarten“ bei Zehdenick, „Die Wolfskuten“ an der B 109 bei Groß Schönebeck oder auch der Eberswalder Ortsteil „Wolfswinkel“ an diese Zeiten. Mit der Ausrottung des Wolfes im brandenburgischen Raum und seinem starken Zurückdrängen nach Osten, schien das Problem „Wolf“ geklärt zu sein. Doch weder die Märchen vom „bösen Wolf“, überliefert von Generation zu Generation, aufgebauscht und dazu gedichtet, verstummten, noch ließ sich der Wolf ausrotten. 
Mehrfach wurden später immer wieder Beobachtungen von einzelnen Wölfen getätigt, doch sind bestätigte Erlegungsnachweise bis zum Ausgang des 20. Jh. für das Untersuchungsgebiet nicht überliefert. Erst in neuester Zeit hat sich dies geändert. Ein Wolfsrüde wurde 1985, vier 1991 und wiederum einer 1994 erlegt. Erstmals gelang am 28. Februar 2000 in Ossendorf ein Lebendfang eines dreibeinigen Wolfes. Dieser Wolf befindet sich seit dem 16. Oktober 2000 im Wildpark Schorfheide.

Uhu. Bayrischer Wald.  Foto W. Ebert

Nach Rehberg (1940) horstete in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts noch der Steinadler in der Schorfheide. Als große Seltenheit soll früher auch der Schlangenadler bei Groß Schönebeck gebrütet haben. Über den Uhu wird berichtet, daß er noch 1880 in den Waldungen bei Groß Schönebeck nistete. Zuerst habe er einen Bussardhorst auf einer schlanken Kiefer benutzt, später in einer dichten Kiefernschonung auf dem Erdboden gebrütet. 

© Märkische Eiszeitstraße, H. Suter, 2003