Ur und Wisent sind in Preußen schon in alter Zeit oftlebendig gefangen worden, um sie in die Tiergärten oder bei den früherso beliebten Tierhetzen und Kampfspielen einzusetzen. Im 16. Jahrhundert gingenviele lebende Wisente, meist als Geschenke ins Ausland. Noch größerwurde der Bedarf an lebenden Wisenten, als Preußen 1618 mit Brandenburgvereinigt wurde, denn nun mußten auch die hiesigen Tiergärten samtdem Berliner Hetzgarten versorgt werden. Der zu den Tierkämpfen bestimmteTeil des eingefangenen Wildes kam in die Käfige und Zwinger der Hetzgärtenvon Königsberg und seit dem 17. Jahrhundert auch von Berlin. Der KönigsbergerHetzgarten war von einer hohen Mauer umgeben und wie ein richtiges Theatereingerichtet, allerdings nicht überdacht. Kurfürst Friedrich III.,der spätere König Friedrich I., habe, wenn er nach Preußenkam, häufig Bärenhetzen abhalten lassen.
R. Grube berichtet nach Mager (1941) in seinem Tagebuch über eine solche:“Es wurde anfänglich ein Aur-Ochs [Wisent] mit einem Bären zusammengelassen;der Bär konnte aber dem Aur-Ochsen nichts anhaben, sondern ward allemahlvon ihm über sich geworfen. Nachmals wurden Hunde auf den Aur-Ochsengelassen, welche auch nichts schaffen konnten, sondern wurden gantz von ihmzu schanden gemacht, da nahmen ihm Churfürstliche Durchlaucht ein geladenGewehr zur Hand und schossen dem Aur von ihrer Stelle recht auf einmahl insHertz, daß er sofort zur Erde fiel, raffte sich zwar wieder auf, aberkonnte nicht lang stehen. Indem schossen Churfürstliche Durchlaucht nocheinmal recht ins Gehirn, damit war er hin. Dann war ein Pferd hineingelassen,welches sich gegen den Bären wohl hielte, ist zwey Hetzen durch dazugebraucht worden, aber allemahl gut davongekommen; …“ Man kann kaum glauben,daß ein Wisent, wie es in einem anderen Bericht heißt, gegen 14große Bären gekämpft und „den ersten und größestenBär beim ersten Angriff auf die hörner genommen, und etliche Schrittein die Luft geworfen, darneben auch den ganzen Bauch aufgerissen,… auchallesamt nach einander abgefertigt, und unverletzt auf dem kampfplatz stehengeblieben.“.
Erste Nachrichten über eine Einfuhr von Wisenten, zusammen mit Elchen,stammen von den Gebrüdern Beckmann (1751), die folgendes berichten: „Überwilde und reißende Thieren hat man sich ietziger Zeit in der Mark wenigzu beschweren: ob wohl vor uralten zeiten nach J. Caesaris im vorigen §angeführten zeugnuß es an Auerochsen, Elendthieren, Bärenund Wölfen nicht wird gemangelt haben. Um aber gleichwohl die arth vondiesen Thieren, und zum etwannigen kampf tüchtige stükken bei derhand zu haben, hat der Churfürst Friedrich Wilhelm Hochsel. ged. A.1681 beides Auerochsen und Elendthiere aus Preußen, woselbst die letzternin solcher menge ehedem gewesen, dass in einer Elendjagt 70 bis 80 stükerleget worden, mit großer mühe und kosten anher kommen, und indie heiden setzen lassen, auch in eben dem jahr, da solche in die freie wildnüsgelassen worden, eine besondere Verordnung herausgegeben und verbohten selbigezu beunruhigen, welches folgends A. 1688 8. März wiederholet worden.
Von den Elendthieren (Elche) sein zu Königs Friedrichs I. zeitennoch 4 stück, ein Hirsch und 3 Thiere, in dem großen Thiergartenbei Oranienburg vorhanden gewesen. A. 1715 hat sich eins bei Spandau sehenlassen, und einen Kuhhirten gespiesset, dass er in 24 Stunden gestorben.“In dem Edict vom 24. Mai 1681 ist nur von „denen Elends-Hirschen und Thierenkeinen Schaden zu thun“ also von den Elchen die Rede, die Wisente verbliebenganz offensichtlich im „Thiergarten“. In einem, vom Kurfürsten FriedrichIII. in seinem ersten Regierungsjahr herausgegebenen Edikt vom 8. März1689 wird hingegen unter Androhung von Strafe angewiesen, aus dem HerzogtumPreußen übersiedelte Elends-Hirsche und Auren (Elche und Wisente)zu schonen.
Beckmann’s berichten weiter, daß die aus Preußen in die Markumgesiedelten Auerochsen nicht recht „anschlagen“ wollten. „… und habenS. damahls Churfürstliche Durchl. Friedrich III. von neuem einen Auerund 11 Thiere herbringen und in eben den Thiergarten setzen lassen, woselbstnoch ietzo 4 bis 5 Thiere leben. S.K.M. Friedrich Wilhelm wie Sie ein großerLiebhaber vom jagen waren: also sein Sie der absicht mit den Auerochsen ebenfallsnachgegangen, haben selbige aber nicht mögen erhalten…“
Nach Genthe (1900) ließ König Friedrich Wilhelm I. 1732 zweiWisent-Kälber nach dem „Stupenitzschen Saugarten unterm Ambte Liebenwalde“, also in unmittelbare Nachbarschaft zur Schorfheide, bringen. Den herangewachsenenTieren wurden 1736 vier frisch eingefangene Kälber zur Zucht und Vermehrungbeigestellt. Damit wurde die in der brandenburgischen Jagdgeschichte bisdahin einzige „Auerzuchtstation“ errichtet, deren Weiterbestehen auch vondem jagdlich nicht interessierten Friedrich II. ausdrücklich befohlenwurde. 1743 wird ein Bestand von 11 Stück gemeldet, der sich aber bis1748 auf 7 Stück verminderte. Bereits 1768 verstarb der letzte der nachBrandenburg eingeführten Wisente im Saugarten von Liebenwalde (Niethammer,1963).
1921 übernahm Dietlof Graf von Arnim-Boitzenburg vom Hagenbeck’schenTierpark in Stellingen (Hamburg) sechs Wisente, die er in einem Gehege innerhalbdes etwa 200 ha großen Tierparks in Boitzenburg unterbrachte. Hagenbeckkonnte die Tiere in den wirtschaftlich schwierigen Nachkriegszeiten nichtmehr unterhalten. Sie bildeten die Grundlage für eine eigene Wisentzuchtin Boitzenburg. 1923 wurden weitere Tiere aus anderen Gehegen erworben. Beiseinem Tod hinterließ Dietlof Graf von Boitzenburg 1933 eine gesundeHerde von 20 Stück. Sein Sohn Joachim führte die Zucht erfolgreichweiter. Die Herde nahm 1945 beim Einmarsch der sowjetischen Truppen ein tragischesEnde. Sämtliche Tiere wurden erschossen, nur ein Stier überlebteund sollte in den Zoo nach Berlin gebracht werden. Er verendete jedoch aufdem Weg dahin (S. von Arnim, 1993). Neben Wisenten und Rotwild wurden im BoitzenburgerTierpark auch Mufflons und – in einer Voliere – Uhus gehalten.
Am 14. Juni 1934 wurde am Südwestende des Werbellinsees in den Jagen112/113 ein Wisent-Schaugehege eröffnet. Zu den 6 bis 8 reinblütigenKühen wurde ein Stier aus der Arnimschen Zucht in Boitzenburg gebracht.Der Stamm hat sich gut vermehrt. Im Schaugehege verblieben 15 Exemplare. Einbenachbartes, 600 ha großes Zuchtgehege diente der Vermehrung der Wisentedurch Verdrängungszucht. Reinblütige Wisentstiere lebten hier mitaus Kanada importierten Bisonkühen und deren weiblichen Kreuzungsstücken.Die männlichen Kreuzungsstücke wurden nach ein bis zwei Jahren inein 650 ha großes Jagdgehege in den Revierförsterbezirken Pechteichund Eichhorst gebracht und dort für Göring selbst oder hohe in-und ausländische Gäste zum Abschuß zur Verfügung gestellt.Das Jagdgehege soll später auf 1.200 ha erweitert worden sein und bisMarienwerder gereicht haben (Bormeister, 1997).
Die von Prof. Dr. Lutz Heck, Direktor des Berliner Zoos, durchgeführteVerdrängungszucht war möglich, weil Wisent und Bison, obgleich siemeist als zwei unterschiedliche Arten betrachtet werden, lebens- und zeugungsfähigeNachkommen haben. Die Verdrängungszucht, durch die immer mehr Wisentgenein die Nachkommenschaft übertragen werden, sollten das Überlebender Wisente endgültig sichern. Im ganzen dürfte das Experiment,das den zur Nachzucht verwendbaren Bestand an Kühen merklich stützte,zumindest in der Schorfheide gelungen sein. Wisente in der Heide freizulassen,war zwar ein Traum Görings, wurde aber nie realisiert. 1945 waren auf1.310 ha 96 Wisente vorhanden (Buchholz und Coninx, 1969). Der gesamte Wisentbestandwurde von Göring selbst, z.T. auch auf seine Weisung durch Forstbeamte,vor dem Einrücken der sowjetischen Truppen, abgeschossen. Heute befindensich wieder 9 Wisente im Wildpark Schorfheide in Groß Schönebeck.In den letzten drei Jahren kam es auch zu Nachwuchs, drei Kälber wurdengeboren.
Prof. Lutz Heck hat sich auch mit der Rückzüchtung der gänzlichausgestorbenen Echten Auerochsen oder Ure aus spanischen Kampfrindern undanderen ursprünglichen Rinderrassen versucht. 1938 wurden als erste Ergebnissein einem Gatter in der Rominter Heide (Ostpreußen) 1 Stier und 6 Kühefreigelassen.
Im Sommer 1943 sollen in der Schorfheide in einem 12 ha großen Gehegeim Jagen 132 der Oberförsterei Pechteich, zusammen mit 6 Bisons und einemWisentstier, auch 8 Rinder aus dem Nachzüchtungsversuch (1 Stier, 4Kühe und 3 Kälber) des Berliner Zoos gewesen sein. Die Bisons wurdenspäter zum Darß gebracht, über den Verbleib der Rinder fehltjede weitere Information (Resch u. Mildner, 1997).
Der Große Kurfürst führte 1681 zusammen mit Wisenten auchElche in Brandenburg ein. Wie vorher bereits erwähnt, hatten aber dieseund weitere Einbürgerungsversuche keinen Erfolg. Die Tiere kümmertenund gingen schließlich ein. Veränderte Umweltbedingungen, und dadurchbedingte Krankheiten und Schmarotzer sowie Wilddieberei sind vermutlich dieUrsachen.
Seit 1934 gab es umfangreiche Bemühungen, Elche in der Schorfheidewieder heimisch zu machen. Es wurden zwei Elchgehege in Zehdenick (RevierKappe) und an den Pinnowseen bei Groß Schönebeck angelegt. Auchdie Forschungsstelle Deutsches Wild, Siewert-Gehege, erhielt einige Tiere.Das 800 ha große Pinnowgehege schien noch am besten für Elchegeeignet. Brücher und Seen, dazu viel Weichlaubholz und zusätzlichangelegte Weidenheger, sprachen für einen möglichen Erfolg derWiedereinbürgerung. Zwischen 1934 und 1937 kamen 35 Elche aus Ostpreußenins Pinnowgehege. Scheinbar ein Erfolg, denn zwischen 1938 und 1944 wurdenimmerhin 40 Kälber gesetzt. Die Verluste waren aber trotz Anwendungverschiedener Hygienemethoden nicht regulierbar. Einzelexemplare gediehendagegen beachtlich. 1939 wurden 4 starke Elchhirsche registriert. AusführlicheInformationen hierzu bringt Bormeister (1997). Der ursprüngliche Plan,die Elche in die freie Wildbahn zu entlassen, war bereits 1936 wegen derzu erwartenden großen Wildschäden aufgegeben worden.
Trotz dieser schlechten Erfahrungen kam es 1965 unter Regie des Militärforstbetriebeszu einem erneuten Elch-Import aus der Sowjetunion. Insgesamt sollen 20 Elcheeingeführt worden sein. Die freigelassenen Elche wanderten durch diegesamte Schorfheide und kamen bis nach Zehdenick, Joachimsthal und Gollin.Sie zeigten keine Scheu vor Menschen und wurden dadurch zu einem allgemeinenÄrgernis für die Bevölkerung. Sie mußten wieder eingefangenwerden und kamen in ein Gatter im Revier Wucker. Der Gesundheitszustand mußwährend ihres Aufenthaltes in der Schorfheide problematisch gewesen sein.Innerhalb von 6 Monaten verendeten 5 Tiere an Krankheiten und Parasiten; offensichtlichvergleichbar mit den Todesursachen in den 30er Jahren. Dies dürfte aufeinen für diese Wildart ungünstigen Lebensraum in der Schorfheidehinweisen (Bormeister, 1997). Aber selbst im Gatter ist die Haltung schwer;im Wildpark Schorfheide starben 1998 zwei Elche an den gleichen Symptomen.
Märkische Eiszeitstraße, W. Ebert / H. Suter, 2003